Vier Tage arbeiten, drei Tage frei – klingt das nicht traumhaft? Wenn dabei die Gesamtstundenzahl sogar sinkt, ohne dass auch nur ein Cent des Gehalts verloren geht, wird die Idee nahezu unwiderstehlich. Pilotprojekte in verschiedenen Ländern zeigen: Alle Beteiligten profitieren. Mitarbeitende, Unternehmen, die Gesellschaft, das Gesundheitssystem und sogar die Umwelt. Und das gilt auch für Deutschland und Italien.
Wie funktioniert die 4-Tage-Woche?
Die verkürzte Arbeitswoche ist ein Konzept, das weltweit noch erprobt wird. Im Wesentlichen gibt es drei Modelle, die diskutiert werden:
- Vier Tage pro Woche, gleicher Lohn, weniger Stunden: Die Anzahl der Arbeitstage und der Wochenstunden wird reduziert. Dieses Modell erfordert allerdings eine Umstrukturierung der Arbeitsprozesse, um die Effizienz und Produktivität beizubehalten.
- Vier Tage pro Woche, gleiches Gehalt, gleiche Stunden: Die Wochenstundenzahl bleibt unverändert, wird aber auf vier statt fünf Tage verteilt. Das bedeutet oft: bis zu neun Stunden pro Tag – ein kleiner Preis für das lange Wochenende?
- Viereinhalb Tage pro Woche, gleiches Gehalt, weniger oder gleiche Stunden: Ein halber Tag mehr frei, aber dafür eventuell weniger Stunden. Zumindest entfällt das Arbeiten bis zu neun Stunden wie im vorherigen Modell.
Aber wie sieht es aktuell aus? In Deutschland arbeiten die meisten zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche. Die reguläre maximale Wochenarbeitszeit liegt bei 48 Stunden, wobei Tarifverträge oft weniger vorsehen. Ähnliche Bedingungen gelten auch in Italien und anderen EU-Ländern.
Laut Eurostat-Daten betrug die durchschnittliche Arbeitszeit in Italien im Jahr 2023 etwa 36 Stunden – etwas mehr als die Deutschen mit 33,9 Stunden und Norweger mit 33,1 Stunden. Selbstständige kommen sogar auf durchschnittlich 45 Stunden pro Woche, oft auch mehr.
Ganz schön viel, oder? Die Organisation 4 Day Week Global, die sich seit 2019 für die Einführung der kurzen Woche starkmacht, sieht das jedenfalls genauso.
4 Day Week Global und das Modell 100:80:100™
4 Day Week Global ist eine gemeinnützige Organisation aus Neuseeland, die die Arbeitswelt neu gestalten will, indem sie den Fokus von der Anzahl der Arbeitsstunden auf die tatsächliche Produktivität verlagert – nach dem Motto „intelligenter arbeiten, nicht länger“.
Die Initiative wurde 2019 von Andrew Barnes und Charlotte Lockhart gegründet, nachdem sie das Modell 100:80:100™ entwickelt und 2018 in ihrem eigenen Unternehmen Perpetual Guardian erfolgreich eingeführt hatten. Die Formel 100:80:100™ bedeutet, dass die Beschäftigten 100 Prozent ihres Gehalts erhalten, während die Arbeitszeit auf 80 Prozent gesenkt wird und trotzdem 100 Prozent der Produktivitätsziele erreicht werden.
Mit ihren Pilotprogrammen unterstützt 4 Day Week Global Unternehmen bei der Einführung der verkürzten Woche. Die Organisation hat bereits zahlreiche Projekte in den USA, Großbritannien, Irland, Australien und Neuseeland begleitet.
4 Day Week Global nennt mindestens zehn Gründe, warum die 4-Tage-Woche ein Gewinn ist – für die Gesellschaft, die Zukunft der Arbeit und unsere Welt.
10 Gründe, die für eine kurze Arbeitswoche sprechen
4 Day Week Global nennt auf ihrer Website zehn gute Gründe, warum die 4-Tage-Woche der richtige Weg für die Zukunft der Arbeit ist:
- Business: Die 4-Tage-Woche stärkt die Wirtschaft, denn Teams arbeiten enger zusammen und das wiederum steigert die Produktivität.
- Environment: Weniger Arbeitstage bedeuten weniger Pendeln und damit weniger CO2-Ausstoß. Das hilft der Umwelt und senkt die Luftverschmutzung.
- Engagement: Mitarbeitende sind motivierter und engagierter, weil die kürzere Woche sich positiv auf Arbeitsmoral und Zufriedenheit auswirkt.
- Mental Health: Studien zeigen, dass es gut für die psychische Gesundheit ist, wenn nur vier Tage in der Woche gearbeitet wird – Burnout, arbeitsbedingter Stress und Angstzustände nehmen deutlich ab.
- Sleep: Menschen, die weniger arbeiten, schlafen besser. Auch das zeigt sich in den Studien zur 4-Tage-Woche.
- Gender Equality: Eine kürzere Arbeitswoche unterstützt die Gleichstellung der Geschlechter, da Männer mehr Zeit haben, sich an Haus- und Betreuungsaufgaben zu beteiligen, die oft noch bei den Frauen liegen.
- Physical Health: Mehr Freizeit gibt den Menschen die Möglichkeit, sich mehr zu bewegen und Sport zu treiben – das sorgt für einen gesünderen und ausgeglicheneren Lebensstil.
- Families: Vier Tage arbeiten, drei Tage frei – das bedeutet mehr gemeinsame Zeit mit der Familie und eine bessere Work-Life-Balance.
- Business Growth: Die 4-Tage-Woche stärkt das Wachstum der Unternehmen, weil sie die Mitarbeiterbindung erhöht und frische Talente anzieht.
- 50% extra weekend, every weekend!: Doppelt so viel Wochenende für alle, und zwar jede Woche! Zumindest nach dem Modell von 4 Days Week Global …
Klingt doch alles ganz gut, oder? Aber wo genau wird die 4-Tage-Woche schon getestet – und welche Ergebnisse gibt es bisher?
Die 4-Tage-Woche in Island
Island war eines der ersten Länder, das mit der kurzen Arbeitswoche experimentiert hat. Zwischen 2015 und 2019 förderte die isländische Regierung eines der größten Pilotprojekte weltweit. 2.500 Beschäftigte aus verschiedenen öffentlichen Bereichen nahmen daran teil – darunter Büros, Schulen, Sozialdienste und Krankenhäuser.
Die teilnehmenden Unternehmen und Organisationen senkten dabei die Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 bis 36 Stunden, bei vollem Gehalt. Damit wollte die Regierung zwei Ziele erreichen:
- die niedrige Produktivität des Landes verbessern (Island lag im OCED-Ranking auf Platz 14)
- und die weit verbreitete Unzufriedenheit über die Arbeitszeiten angehen (viele Menschen beklagten sich, dass das lange Arbeiten zusammen mit den häuslichen Pflichten zu einer schlechten Lebensqualität führten).
Und das Ergebnis? Das Projekt war ein voller Erfolg. Die Lebensqualität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat sich deutlich verbessert – genau wie erwartet. Überraschend war jedoch, dass die Produktivität und der Umfang der erbrachten Leistungen trotz der verkürzten Arbeitszeit auf gleichem oder sogar höherem Niveau blieben.
Die positiven Erfahrungen im öffentlichen Sektor hatten auch Auswirkungen auf den privaten Sektor: Heute arbeiten in Island 86 Prozent der Beschäftigten weniger Stunden oder haben das Recht, ihre Arbeitszeit neu auszuhandeln.
Die Ergebnisse des isländischen Experiments, die im Sommer 2021 veröffentlicht wurden, haben eine europaweite Debatte angestoßen und viele Länder dazu motiviert, ähnliche Versuche zu starten – darunter Großbritannien, Belgien und Spanien.
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Ist die 4-Tage-Woche in Deutschland die Zukunft der Arbeit?
Deutschland ist eines der Länder, in denen die 4-Tage-Woche zunehmend an Bedeutung gewinnt. Immer mehr Unternehmen experimentieren mit diesem Arbeitsmodell, um die Vorteile einer kürzeren Arbeitszeit zu nutzen. Verschiedene Studien und Pilotprojekte, wie etwa von der Hans-Böckler-Stiftung oder die 4 Day Week Studie der Universität Münster, untersuchen die Auswirkungen der 4-Tage-Woche auf Mitarbeiter und Unternehmen. Erste Ergebnisse zeigen, dass mehr als drei Viertel der Vollzeitbeschäftigten eine 4-Tage-Woche wünschen, sofern das Gehalt gleich bleibt. Außerdem lässt sich feststellen, dass kürzere Arbeitszeiten die Produktivität und die Zufriedenheit steigern können.
Erste Erfahrungen mit dem Modell der verkürzten Arbeitswoche
In Deutschland haben bereits mehrere Unternehmen die 4-Tage-Woche entweder dauerhaft eingeführt oder testen sie aktuell im Rahmen von Pilotprojekten. Einer der Vorreiter ist der IT-Dienstleister Nacura aus Paderborn. Nacura arbeitet nach dem Modell 100:80:100TM, bei dem Mitarbeitende 100 Prozent der Leistung in 80 Prozent der Zeit bei vollem Lohn erbringen. Das Ziel: eine bessere Work-Life-Balance und stärkere Mitarbeiterbindung. Damit die Kunden an jedem Werktag Unterstützung erhalten, wurden vier Teams gebildet, die zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten. Dank dieses rotierenden Systems kann sich ein Team sogar über ein viertägiges Wochenende freuen.
Der Maschinenbauer Deguma hat nach einer Testphase die 4-Tage-Woche als feste Regel eingeführt. Die Arbeitszeit wurde von 40 auf 34 Stunden reduziert, so dass die Mitarbeitenden nun 8,5 Stunden pro Tag arbeiten. Dadurch ist das Unternehmen an allen Werktagen besetzt, wobei ein Teil des Teams montags und der andere Teil freitags frei hat. Die Planung und Umstellung der Arbeitsweise war eine Herausforderung, aber mit neuen Konzepten konnte Deguma Überstunden vermeiden und die Effizienz sicherstellen.
Ähnlich positiv verlief die Einführung bei der Wenzel Group im Maschinenbau. Das Unternehmen führte die 4-Tage-Woche in der Produktion am Stammsitz in Wiesthal ein, um innovative Arbeitsplätze zu schaffen. Die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber spielte eine wichtige Rolle. Die kurze Arbeitswoche senkte den Krankenstand deutlich und steigerte die Zufriedenheit der Belegschaft. Gleichzeitig konnten Energieeinsparungen von bis zu 15 Prozent erzielt werden, was zur Nachhaltigkeit des Unternehmens beiträgt.
Positive Ergebnisse und Herausforderungen der kurzen Woche
Die bisherigen Erfahrungen mit der 4-Tage-Woche in der deutschen Wirtschaft zeigen, dass dieses Arbeitszeitmodell durchaus Potenzial hat. Unternehmen wie GOEKELER Messtechnik GmbH berichten von einer verbesserten Work-Life-Balance und einem sehr niedrigen Krankenstand von nur 0,5 Prozent. Auch die Wenzel Group beschreibt die positiven Effekte auf die Gesundheit und Motivation der Mitarbeitenden als „phänomenal gut“.
Doch nicht alle Unternehmen haben eine vollkommen reibungslose Einführung erlebt: Einige Firmen hatten Schwierigkeiten, ihre Produktivitätsziele in der kürzeren Woche zu erreichen.
Besonders in der Anfangsphase mussten Anpassungen vorgenommen werden, um die Effizienz hochzuhalten. Das zeigt, dass die 4-Tage-Woche zwar viele Vorteile bietet, jedoch auch eine Umstellung und Flexibilität seitens der Unternehmen erfordert.
Die Diskussion über weniger Arbeit in Deutschland
Die 4-Tage-Woche wird auch auf politischer Ebene kontrovers diskutiert. Während einige Parteien und Gewerkschaften wie die IG Metall das Modell unterstützen, gibt es auch kritische Stimmen.
Zudem erhofft man sich durch die 4-Tage-Woche Vorteile für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine erleichterte Rückkehr von Frauen in Vollzeitarbeit. Außerdem gibt es Forderungen nach Lohnzuschüssen, um kleinen Unternehmen den Übergang zu erleichtern.
Auf Arbeitgeberseite wird vor negativen wirtschaftlichen Folgen gewarnt. Es wird argumentiert, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit in Zeiten des Fachkräftemangels die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährden könnte. Arbeitgebernahe Verbände lehnen eine kurze Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich ab und favorisieren individuelle Lösungen innerhalb der Unternehmen.
Es bleibt also spannend, ob die 4-Tage-Woche die Zukunft der Arbeitswelt in Deutschland wird …
Ist eine 4-Tage-Woche immer die beste Lösung?
Manchmal ist eine kurze Woche nicht so einfach umzusetzen. So können Öffnungszeiten oder die Notwendigkeit, Produktionslinien ununterbrochen laufen zu lassen, ein echtes Hindernis darstellen. Auch für Freiberufler ist es oft schwierig, die vielen Aufgaben in nur vier Tagen zu erledigen – von der eigentlichen Arbeit an Projekten über die Verwaltung bis hin zu Buchhaltung und Marketing.
Für mich als freiberufliche Übersetzerin sind vier Tage keine ideale Lösung. Meine perfekte Arbeitswoche hat 32 Stunden, verteilt auf fünf Tage. Das bedeutet, dass ich von Montag bis Freitag für Sie erreichbar bin – allerdings nur bis 17 Uhr.
Originalartikel auf Italienisch. Deutsche Übersetzung und Lokalisierung von Dragana Molnár